Von Hans-Peter Holl. Das vergangene Jahr endete mit spannenden Insurtech-News: Während die Wefox-Gruppe ihre Finanzierung um weitere 110 Millionen US-Dollar ausweiten konnte, wird Flypper eingestellt. Beide Unternehmen sind 2015 gestartet, beide mit unterschiedlichen, aber interessanten Geschäftsmodellen. Während Wefox Investoren überzeugen konnte, gelang es Flypper mit seinem hybriden Sachversicherungsansatz leider nicht. Nun also das Aus eines vielversprechenden Geschäftsmodells, das mit sehr viel Aufmerksamkeit und einem charismatischen Gründer Dominik Groenen hierzulande gestartet war. Was sagen diese Neuigkeiten über die Insurtech-Szene in Deutschland aus? Was können wir 2020 erwarten?
Unzureichende Innovationskultur in Deutschland
Das Beispiel Flypper zeigt recht deutlich, wie schwer Start-ups in Deutschland gegenüber beispielsweise den USA an Risikokapital gelangen. Unsere Sozialisation im Umgang mit dem Scheitern von Geschäftsideen, gepaart mit einer sehr zurückhaltenden Risikofreude sind eher Innovationshinderer denn –förderer. Sicher, es gibt wenige Ausnahmen wie Wefox. Die sind allerdings nicht die Regel, und auch diese Start-ups mussten und müssen sehr hart dafür arbeiten, um an weitere Finanzierungen zu kommen.
Kapital vor allem bei der Rollout- und Wachstumsphase benötigt
Während die Seed-Investitionen – also die erste Finanzierung von Geschäftskonzepten hin zu einem Prototyp – in Deutschland mittlerweile zumindest schon leicht angestiegen sind, hakt es vor allem aber an der sich anschließenden Rollout– und Wachstumsfinanzierung (Series A und B Finanzierung). Hier hat Deutschland sicherlich den größten Handlungsbedarf. Wenn an dieser entscheidenden Phase eines Unternehmens keine Finanzierung stattfindet, dann können auch sehr gute Ideen nicht bis zur Reife wachsen.
Ja, es heißt Risikokapital, weil es eben auch mit einem Risiko verbunden ist, in Start-ups zu investieren. Und ja, nur etwa eines von zehn Start-ups wird erfolgreich. Statt aber die 90-Prozent-Quote als Risiko zu sehen, sollten wir auf die 10 Prozent erfolgreicher Unternehmen blicken und erkennen, was diese für die deutsche Volkswirtschaft insgesamt bedeuten könnten. Das viel größere Risiko gehen wir doch ein, wenn wir zukünftig auf gleichbleibendem Niveau investieren. Dann wandert wichtige Innovationskraft aus Deutschland ab. Es gibt schlichtweg zu wenig Risikokapitalgeber, obwohl – zurzeit zumindest – sehr viel Geld im Markt ist. Da hilft auch die Xte Staffel „Höhle der Löwen“ nicht beim Umdenken. Das Problem hat aktuell die Politik anscheinend erkannt und arbeitet an einem Start-up-Fond. Wir dürfen gespannt sein, wie die Pläne der Bundesregierung weiter gedeihen werden.
Steigender Finanzierungs- und Wettbewerbsdruck für Insurtechs
Der Druck wird jedoch nicht nur finanzierungsseitig steigen, auch der Wettbewerb wird sehr viel intensiver. Die etablierten Versicherer sind in Bewegung. Sie erneuern ihre Bestandsführungssysteme, werden kundenzentrierter, trennen sich von unrentablen Beständen und bauen eigene Marken, meist als Assekuradeure, mit eigener IT auf, die schnell und flexibel Produkte an den Markt bringen kann. Darüber hinaus investieren und kooperieren sie zunehmend mit Insurtechs, wie die Beteiligung der Bayerischen Versicherungskammer an Finleap oder Frida, die Free Insurance Data Initiative von Alte Leipziger-Hallesche, EY, Friendsurance sowie dem InsurLab Germany deutlich zeigen. 2020 wird sicherlich ein spannendes, sehr viel dynamischeres Jahr als das Vergangene in der Insurtech-Szene werden.
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Auf finletter kommen gelegentlich Gastautor:innen zu Wort.