Von Oliver Dlugosch
Das Konsumentenverhalten hat sich durch Corona in den vergangenen Monaten dramatisch verändert und zu einer Phase der Hyperdigitalisierung geführt. Mit dem Shutdown hat sich die Nutzung digitaler Kanäle beschleunigt – nicht nur im Einzelhandel. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese Entwicklung nach der Pandemie wieder umkehrt.
Zu den Gewinnern gehören die bekannten Internetgiganten, aber auch Spezialisten an der digitalen Kundenschnittstelle. So erfreuen sich im Finanzbereich beispielsweise Neo-Banken wie Revolut oder N26 eines kontinuierlichen Zulaufs und spezialisierte B2B-Fintechs wie Klarna bedienen Hand in Hand mit Onlinehändlern den Finanzbedarf der Verbraucher auf den digitalen Kanälen.
Wie wichtig einfaches und kundenorientiert gestaltetes Banking ist, belegt eine aktuelle Studie von Capgemini. Danach plant knapp die Hälfte der jungen und technikaffinen Verbraucher in den kommenden zwölf Monaten einen Wechsel ihrer Bank, da ihre aktuelle zu wenig Leistungen abdeckt, ihren Bedürfnissen nicht gerecht wird oder zu wenig mit Plattformen und Apps integriert ist, die sie täglich nutzen. Damit wächst der Druck auf Banken, sich mit den Erfolgsmodellen digitaler Wettbewerber auseinanderzusetzen und von ihnen zu lernen.
Kundenorientierung über das eigene Produkt hinaus
Digitale Unternehmen wie Google, Apple, Facebook und Amazon punkten vor allem mit ihrem breiten Kundenzugang sowie der kompromisslos kundenzentrierten Gestaltung ihrer Angebote. Sie orientieren ihre Services nicht an einem singulären Produktwunsch, sondern am ganzheitlichen Bedarf des Kunden über die eigene Produktpalette hinaus, um das bestmögliche digitale Kundenerlebnis zu schaffen. Die Kundenzentrierung und die Plattform-Philosophie sind die Basis für ihren Erfolg.
In einer digitalen Welt müssen die Banken den Kunden radikal in den Mittelpunkt ihrer Angebote stellen und zur zentralen Plattform für den Kunden werden – oder ihre Angebote in die Plattformen ihrer Kunden integrieren. Sie müssen den Bedarf der Kunden nach ganzheitlichen Finanzlösungen über das eigene Portfolio hinaus bedienen und die besten Produkte und Services im Markt in ihre eigenen, digitalen Angebote einbinden. Hierfür ist eine Öffnung der Bank und eine Vernetzung mit den Partnern über Open Banking erforderlich.
Wie das funktioniert, zeigen die Neo-Banken. Sie setzen auf ein fokussiertes zielgruppenorientiertes Produktangebot und bieten die attraktiven Services und Produkte von Fintechs und anderen Partnern, um entsprechende Mehrwerte zu liefern, etwa spezielle Kredite, Auslandsüberweisungen, Finanzanalyse oder Buchhaltungsfunktionen für kleine und mittelständische Unternehmen.
Drei zentrale Aspekte des Plattform-Modells
Dabei können Banken vom Plattform-Denken der großen Internetgiganten lernen. Drei Aspekte sollten eine zentrale Rolle in den strategischen Überlegungen beim Aufbau einer Banking-Plattform spielen:
- Kundenzentrierung:
Wie gestalte ich mein digitales Angebot kundenzentriert und ganzheitlich an den Bedürfnissen des Kunden? Welche Lösungen und Angebote erwartet mein Kunde? Kann ich die Kundenanforderungen mit meinen Produkten bedienen? - Partnerwahl:
Es geht darum, zu verstehen, mit welchen komplementären Services ich meine digitalen Services als Bank ergänzen kann. Das ist die Grundlage, um innovative Finanzlösungen anbieten zu können. Hier sind Banken gefragt, die besten Partner im Markt zu identifizieren und zu integrieren. - Technologische Grundlage:
Man muss sich mit dem Fundament der Plattform beschäftigen. Leistungsstarke und skalierbare Open-Banking-Plattformen sind der entscheidende Erfolgsfaktor und die Grundlage, um ein vernetztes Angebot mit digitalen Partnern umzusetzen. Damit werden tradierte Bankensysteme für digitale Partner geöffnet und neue Fintech-Services einfach in das digitale Angebot eingebunden.
Der Königsweg zum digitalen Kunden
Der Kunde ist König gilt im digitalen Zeitalter mehr denn je, wenn Banken sich gegen die großen Technologie-Unternehmen, aber auch gegen digitale Challenger-Banken wappnen wollen. Nur wenn es den Banken gelingt kundenzentriert zu handeln, werden sie gegen die Internetgiganten und Spezialisten an der digitalen Kundenschnittstelle bestehen können. Der Plattform-Gedanke ist der Königsweg zur Gewinnung und Bindung des digitalen Kunden von heute.
Oliver Dlugosch ist CEO und Gründer der Open-Finance-Plattform ndgit, die als Middleware das Rückgrat digitaler Finanzdienstleistungen bildet. Schon heute vertrauen über 50 Banken und Unternehmen weltweit auf die führende API-Plattform für Finanzdienstleister, um traditionelle Systeme zu digitalisieren und für das Open Banking der Zukunft aufzustellen. Zuvor war Dlugosch über 10 Jahren in der Geschäftsführung der Unternehmen Crealogix, Fincon und Raysono tätig mit den Schwerpunkten Bankentechnologie und Digital Banking.
Autor
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Auf finletter kommen gelegentlich Gastautor:innen zu Wort.