Von Friedrich Tromm
Die Deutschen und ihr liebes Geld: Immer mehr Banken erheben weitere Gebühren, um an ihren Privatkunden noch ein bisschen Geld zu verdienen. Nicht nur, dass die Zeiten von kostenlosen Girokonten quasi vorbei sind, einige Banken nehmen neuerdings sogar Aufschläge, wenn ein Konto wenig genutzt wird. Das klassische Bankenmodell steckt in der Krise, und es ist kein Ende in Sicht. Eine Studie der Agentur Syzygy ergab Ende 2019, dass nur 25% der Deutschen ihre Bank für vertrauenswürdig halten.
Deutsche sind beim Banking konservativ
Nun könnte man annehmen, dass die zahlreichen Fintechs und das Online-Banking extrem von dem Vertrauensverlust in traditionelle Banken profitieren. Doch Fakt ist: Online-Banking zündet nicht richtig. In Deutschland ist die Nutzung von Kreditkarten und mobilen Payment-Angeboten wesentlich zurückhaltender als in anderen Ländern. Der Deutsche an sich vertraut seine Daten und sein Geld eben ungerne jemandem im Internet an. Stattdessen ist er nach wie vor konservativ, was den Umgang mit seinen Finanzen angeht. #Trust
Zwar gelten neue Finanzunternehmen wie N26, Smava und Klarna als Hoffnungsträger für eine neue Finanzzukunft und sind auch durchaus erfolgreich. Doch bislang ist es keinem der neuen Fintechs gelungen, ein grundlegendes Vertrauen zur Marke über mehrere Generationen hinweg aufzubauen, um den traditionellen und ungeliebten Banken ihre Kunden abzunehmen.
Marketing für die Gattung
Es ist nicht ungewöhnlich, dass es einzelnen Unternehmen allein an Durchschlagskraft und Mediawumms fehlt, Veränderungen in Mentalität, Verhaltensweisen und Kultur zu initiieren. Unabhängig von der Branche. Schon in den 50er Jahren gab es dazu Ideen, um im Verbund den Absatz einer Branche zu befeuern: Gemeinschaftswerbung. Damals machten bspw. Hemdenhersteller gemeinsame Sache, um Männern beizubringen, nicht nur sonntags das Hemd zu wechseln.
Auch die Milchindustrie bewarb eine ganze Kategorie: Hieß es zu Beginn noch „Milch macht müde Männer munter”, warb man später verkürzt mit „(Denn nur) Die Milch macht’s“, und schließlich 2009 mit „Milch ist meine Stärke“. Prominente Unterstützung erhielt die Kampagne von Promis wie Barbara Schöneberger oder Fußballer Miroslav Klose.
Auch die klassischsten der Klassischen nutzten die Macht der Kooperation. In den 80er Jahren schufen ARD und ZDF gemeinsam die schon legendäre Kampagne „Bei ARD und ZDF sitzen Sie in der ersten Reihe“ als Antwort auf das aufstrebende Privatfernsehen. Warum nehmen sich die Fintechs diesen Werbemechanismus nicht als Anregung, gemeinsam für sich Gattungsmarketing zu betreiben, um Vertrauen in die Breite der Bevölkerung aufzubauen?
Gerade die Corona-Zeit hat gezeigt, wie schnell sich Kartenzahlung und Mobile Payment durchsetzen können. Während man früher noch seltsam angeguckt wurde, sobald man das Handy an der Kasse rausholte, stehen an den meisten Geschäften große Schilder, die auffordern, doch „Bitte mit Karte (zu) zahlen”. Diesen Schwung könnten Fintechs für sich nutzen, um das Thema für sich zu besetzen und auf die Vorteile der Digitalisierung hinzuweisen. Stattdessen wird eher gegen- statt miteinander geworben.
Gemeinsam sind wir stark
Auch wenn einzelne Player im Markt bereits reichweitenstark in Massenmedien wie TV oder Out-of-Home warben, bleibt die Sichtbarkeit – und der Output – doch bisher überschaubar. Kurzfristige Aktionen vermögen eine jahrzehntelange Verhaltensweise nicht zu rändern. Würden die Mitglieder einer Fintech-Werbegemeinschaft ihre Budgets jedoch bündeln, was könnten sie nicht alles erreichen?
Dabei ist Gattungsmarketing nicht nur für die breite Masse erfolgreich, auch spitze Zielgruppen können angesprochen werden. Nehmen wir die Out-of-Home-Eigenwerbung „Außenwerbung trifft jeden”, die gezielt Marketingverantwortliche in Unternehmen adressieren soll. Oder das Konzept „Agrar-Familie”, das vom Netzwerk Agrarmedien ausgerichtet wird.
Das Erfolgsgeheimnis: flankierend kommunizieren
Auch wenn eine kollektive Kampagne eine Menge für die neuen Finanzunternehmen bewirken kann, Werbung allein wird sicher nicht ausreichen. Entscheidend wird es sein, als Kollektiv immer wieder und kontinuierlich inhaltliche Impulse zu setzen. Über die Kommunikation mit weiteren Stakeholdern zum Beispiel und auch durch gemeinsame Studien, die die Ängste der deutschen Bankkunden ernstnehmen und aufgreifen. Die mögliche gemeinsame Produkt-Plattform könnte also auch Inhalte produzieren, die sich mit kritischen Stimmen auseinandersetzt. Denn gerade beim letzten Punkt sind die Fintechs eher noch recht schwach auf der Brust.
Wenn die FinTechs also in absehbarer Zeit zu echten Schwergewichten der Finanzbranche werden wollen, werden reine Investoren-Stories oder Botschaften für digitalaffine Zielgruppen nicht ausreichen. Vertrauen werden sie sich verdienen müssen. So oder so.
Über den Autor
Friedrich Tromm ist Gründer und Geschäftsführer der Creative Company TryNoAgency. Gemeinsam mit seinem Gründungspartner Stefan Nagel und ihren 20 Mitarbeitern haben sie bereits mehr als 160 Unternehmen betreut. Sie sind die Einhorn-Macher unter den Agenturen: Ihr Ziel ist es, das Besondere aus jeder Marke herauszuarbeiten. Bei TryNoAgency bekommen Unternehmen daher genau die Leistungen, die sie wirklich brauchen.
Vor der Gründung der Creative Company 2012 sammelte Friedrich Tromm Erfahrungen als Freelancer in über 50 namhaften nationalen und internationalen Agenturen (Jung von Matt, BBDO, McCann Erickson uvm.). Als Creative Director war er in dieser Zeit beispielsweise für die strategische Entwicklung diverser internationaler Launch-Kampagnen von Apple verantwortlich.
Gleich nach seinem Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation arbeitete er als Texter und wurde für die Aktion „Spenden Sie Wärme” beim wichtigsten Werbefestival der Welt in Cannes ausgezeichnet. Sein Sprachgeschick und sein strategisches Know-how zählen bis heute zu den Stärken, die er für die Kunden von TryNoAgency einsetzt. Dazu gehören unter anderem HelloFresh, Mister Spex, N26 und STRATO.
Autor
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Auf finletter kommen gelegentlich Gastautor:innen zu Wort.