Was macht Grover mit 1 Milliarde US-Dollar Fremdkapital?
Die Zahlen sorgten diese Woche für viel Aufmerksamkeit – und dafür, dass einige Medien etwas tiefer gruben. Etwas vereinfacht hat das Berliner Start-up Grover 1 Milliarde US-Dollar Fremdkapital eingesammelt, um damit Elektronikartikel einzukaufen, die an Endkonsument:innen über Grovers Technologie-Plattform vermietet werden sollen. Der englische Kapitalgeber Fasanara Capital stellt das Geld im Rahmen einer sogenannten Asset-Backed-Finanzierung zur Verfügung, wobei das Fremdkapital in einer Zweckgesellschaft bereitgestellt wird. Fraglich scheint hier, inwiefern zwischen Grover, seinen Mietkund:innen und der Recycling-Industrie zirkulierende Laptops oder Fernseher eine Sicherheit für den bzw. die Geldgeber darstellen, vor allem im Insolvenzfall.
Grover selbst ordnet sich mit seinem Geschäftsmodell als Teil der „Circular Economy“ ein. Dabei stellen die Verantwortlichen um CEO Michael Cassau und CFO Thomas Antonioli immer wieder heraus, zum Beispiel durch Aufkäufe von ausrangierten Produktmargen Elektroschrott zu vermeiden – nach eigenen Angaben bis Ende 2024 mehr als 24.000 Tonnen. Auch ein Recyclingbeauftragter soll bald kommen, um zum Beispiel nach der Mietzeit zurückgegebene Geräte auch wirklich im Sinne der „Circular Economy“ nachhaltig zu verwerten. Angewiesen sei man dabei aber auf die Hersteller, deren Produkte eben leider meist noch nicht wirklich recycelbar seien.
Aus Fintech-Sicht interessant: CEO Cassau nennt nicht etwa Anbieter wie Rebuy mit seiner Gebrauchtwaren-Plattform als Hauptkonkurrenten, sondern Klarna mit ihren einfach zugänglichen Konsument:innen-Krediten, mit denen im Onlinehandel auch teure Techprodukte geshoppt werden. Die Frage hier: Inwiefern ist die Vision von nachhaltig gesharten und vollständig zirkulierenden technischen Geräten also glaubhaft? Vor allem, weil auch Grover-Nutzer:innen eher an brandneuen Geräten interessiert sein dürften und die Produktzyklen eben immer kürzer werden. Ist das Mieten, Zurückgeben und Wiederverwerten also wirklich eine realistische Erwartung? Oder wird hier nur das Prinzip Ratenzahlung mit Nachhaltigkeitsattributen aufgeladen?
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Die Fintech Week ist zurück! Und mit ihr das Publikum: Vom 22. bis zum 26. November 2021 können sich unsere Gäste endlich wieder auf tolle Fintech-Events freuen, sich direkt in spannende Diskussionen einbringen und sich bei einem spontanen Kaffee zu den Trendthemen der Branche austauschen. Alle aktuellen Informationen sind hier zusammengefasst.
– Fintech-News Deutschland –
Solarisbank kauft Contis und wird zum Einhorn: In einer neuen Finanzierungsrunde sammelt die nach eigener Auskunft führende Banking-as-a-Service Plattform Europas 190 Millionen Euro ein und kauft parallel den britischen Mitbewerber Contis. Die Ergebnisse: Deutschland ist um ein Einhorn reicher und die Solarisbank macht einen strategisch wertvollen Schritt in den britischen Markt. it-finanzmagazin.de paymentandbanking.com solarisbank.com
Finleap Connect übernimmt spanisches Fintech: In Myvalue Solutions hat der Berliner Open-Banking-Spezialisten Finleap Connect einen Spezialisten für die Aggregation und Kategorisierung von Bankdaten gekauft. Die erste Übernahme in der noch jungen Firmengeschichte ist ein wichtiger Schritt der eigenen Wachstumsstrategie. finanzbusiness.de handelsblatt.com
N26-Bewertung in der Kritik: Kann es wirklich richtig sein, dass die relativ junge Challenger-Bank N26 plötzlich 10 Milliarden Dollar wert sein könnte? Das bezweifeln laut Autor mittlerweile selbst Ex-Manager des Berliner Start-ups. Mehr zur Debatte um (über-)hohe Bewertungen auch als „Das Beste zum Schluss“ weiter unten. wiwo.de (hinter Paywall)
Berliner Verbriefungs-Fintech Acatus insolvent: Das Berliner Fintech-Unternehmen Acatus muss Insolvenz anmelden. Dies bestätigte Gründer Daniel Wigbers. Es habe keine Einigung unter den Gesellschaftern gegeben, eine neue Finanzierungsrunde, um die Vision einer paneuropäischen Debt Capital Markets Plattform doch weiter verfolgen zu könenn, kam nicht zustande. financefwd.com
– Fintech-News International –
Bitcoin mit Kursexplosion: In der letzten Woche waren die – diesmal wieder positiven – Äußerungen von Elon Musk zum Thema Bitcoin bei uns „Das Beste zum Schluss“ – nun wurde ein deutlicher Kursanstieg auf über 39.000 US-Dollar vermeldet. Neben Musks Statements gibt es für den rasanten Anstieg allerdings weitere Gründe. t3n.de
Weiteres Krypto-Einhorn: Fireblocks ist ein Infrastrukturanbieter für digitale Vermögenswerte mit Sitz in New York. In einer Series-D-Finanzierungsrunde hat das Start-up nun 310 Millionen US-Dollar erhalten und konnte somit seine Bewertung auf 2,2 Milliarden US-Dollar schrauben. Das entspricht einer Verdreifachung in nur fünf Monaten und beweist, wie viel Potenzial – aka Fantasie – aktuell im Kryptomarkt steckt. techcrunch.com
Corona-Pandemie beschleunigt Bargeldlos-Trend: Von 98 Milliarden bargeldlosen Zahlungen im Jahr 2019 auf 102 Milliarden im vergangenen Jahr – so lautet die Bilanz für die Eurozone. Für die einzelnen Länder gibt es allerdings teils deutliche Unterschiede. boersen-zeitung.de
Nium aus Singapur wird zum Unicorn: In einer von Riverwood Capital geführten Finanzierungsrunde hat das Fintech für Geschäftszahlungen mehr als 200 Millionen Dollar eingesammelt und konnte seine Bewertung über die „magische“ Einhorngrenze von 1 Milliarde US-Dollar heben. Mit dem frischen Kapital sollen nun die Netzwerkinfrastruktur und Produktentwicklung vorangebracht sowie die Expansion bei Technologien und Zukäufen fortgeschrieben werden. boersen-zeitung.de
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GAFA – vier Buchstaben, die die Finanzbranche in Aufruhr versetzen. Wie können Banken der Marktmacht der Tech-Giganten begegnen? Die neue GOLDILOCKS-Ausgabe bietet Lösungsansätze. Jetzt online lesen oder kostenlos die GOLDILOCKS-App für iOS oder Android herunterladen.
– Treffpunkte –
Payment Summit: Auf dem Payment Summit erfahren Händler:innen, wie sie Payment im daily business perfekt orchestrieren: Welche Payment-Lösungen performen, wo die Chancen und Risiken liegen und natürlich auch, auf was Händler beim Fraud- und Risikomanagement besonders achten sollten. finletter ist Medienpartner des Events. Vom 27. bis zum 28. Oktober 2021 in Hamburg und digital.
FI-Forum: Das FI-Forum, die Hausmesse der Finanz Informatik, ist der wichtigste Treffpunkt der Sparkassen-Finanzgruppe für Innovationen, IT-Lösungen und neue Entwicklungen der Finanzbranche. Das FI-Forum bietet den Teilnehmern einen aktuellen und umfasssenden Marktüberblick rund um die Themen IT, Banking und Digitalisierung – in diesem Jahr vom 2. bis 4. November in einem neuen Format.
Mehr Veranstaltungen zu Fintech finden Sie im Event-Kalender auf finletter.de. Hier können Sie uns Tipps für Events geben.
– Wochenendlektüre –
Die Fusion von Kapilendo und Invesdor zum Anhören: Lektüre steckt auch hinter dem Link, noch mehr Futter bietet allerdings der Podcast mit Gast und Kapilendo-Gründer Christopher Grätz. Darin stecken Hintergründe zur Fusion und Insights, warum das Crowdfunding langsamer angelaufen sei, als von Kapilendo erhofft. financefwd.com
Fintech bietet Wege aus Kreditschulden: Schon seit Längerem gibt es Kritik an einem Teil des Geschäftsmodells von Klarna, dem schwedischen Vorzeige-Fintech. Deren Konsument:innen-Kreditangebote sind so gut und niedrigschwellig in die User Experience von E-Commerce-Anbietern integriert, dass einige Online-Shoppper darüber in die Schuldenfalle geraten. Ausgerechnet ehemalige schwedische Klarna-Mitarbeiter bieten über ihr Fintech Anyfin nun Wege aus dieser Art von Schulden. faz.net (hinter Paywall) anyfin.com
Embedded Finance im E-Commerce: Nochmal Solarisbank (s. oben) und nochmal Embedded Finance (s. finletter 314), doch diese Studie ist einfach eine spannende Wochenendlektüre. Sie bietet: viele Fakten, Analysen und Insights zum Thema „Wenn Brands zu Banken werden“. solarisbank.com
Technologie bestimmt das Geschäft der Zukunft: Neue Realität und Technologien befeuern bei Banken und Sparkassen das Geschäft der Zukunft. Doch viele Finanzinstitute vernachlässigen den wichtigsten Treiber der Digitalisierung: die IT-Security. der-bank-blog.de [gesponsert]
– Meist gelesen im vergangenen finletter –
…waren gleichauf der Artikel über die glorreichen Aussichten für den Fintech-Markt sowie die News Klarna kauft Stocard.
– Das Beste zum Schluss –
Genörgel um das ganz große Geld: Überspitzen schadet natürlich nie. Insbesondere dann nicht, wenn man auf einen vermeintlichen Missstand aufmerksam machen will. In diesem Rant zum Thema Firmenbewertungen in der Fintech- bzw. Payment- und Banking-Szene wird das Prinzip besonders nachdrücklich verfolgt. Ist das noch berechtigte Kritik am Exit-Kapitalismus – oder eine leicht populistische Clickbait-Nummer? paymentandbanking.com
Autor
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Gunnar Hassel ist freier Online-Redakteur und Content-Experte mit Schwerpunkt Finanz-Innovationen und Tech-Start-ups.
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