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Gastbeitrag von Marlen Lawrenz

ESG-Strategien gewinnen an Bedeutung

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Die ESG-Kriterien (ESG: Environmental, Social and Governance) wurden erstmals im Jahr 2005 referenziert, als eine von den Vereinten Nationen unterstützte Initiative sich zum Ziel setzte, den Geltungsbereich verantwortungsvoller Investitionen über den bloßen Ausschluss schädlicher Produkte (wie Tabak oder Waffen) hinaus zu erweitern. Der Grundgedanke war, dass Kapitalmärkte und Finanzdienstleistungen die Auswirkungen von Unternehmen auf das Umfeld, in dem sie tätig sind, nicht nur anhand von Finanzkennzahlen berücksichtigen sollten. Mit den ESG-Kennzahlen wird anerkannt, dass nichtfinanzielle Faktoren sich auf die Unternehmensleistung auswirken können. Hierzu zählen unter anderem die Art und Weise, wie ein Unternehmen auf den Klimawandel reagiert, woher es Rohstoffe bezieht oder wie es mit den Arbeitnehmern in der Lieferkette umgeht. In den vergangenen Jahren hat sich rund um diesen Begriff eine milliardenschwere Industrie entwickelt, die heute in den Vorstandsetagen weltweit einen großen Einfluss darauf hat, wie multinationale Unternehmen ihre Ressourcen am besten einsetzen können.

Die bedeutendsten Faktoren für die ESG-Umsetzung

Die wachsende Bedeutung von ESG ist auf eine Reihe ineinandergreifender Faktoren zurückzuführen. Einer dieser Faktoren ist der Druck der Investoren. Sie fordern zunehmend, dass ihre Mittel dazu eingesetzt werden, positive Veränderungen voranzubringen. In einer Umfrage unter den Privatkunden der Deutschen Bank gaben drei Viertel von ihnen an, dass sich ihre Investitionen positiv auswirken sollten. Dieselben Erwartungen bestehen auch auf der Ebene der institutionellen Anleger.

Der von Verbrauchern und Kunden ausgehende Druck ist ein weiterer Aspekt. Rund neun von zehn deutschen Verbrauchern (88 Prozent) sind in den vergangenen drei Jahren in ihren Kaufgewohnheiten nachhaltiger geworden, und für mehr als die Hälfte (58 Prozent) ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Kaufkriterium. Immer mehr Privatpersonen und Unternehmen erwarten, dass die Firmen, die sie mit ihrem Kauf unterstützen, versuchen, Schaden zu minimieren und nach Möglichkeit Gutes zu tun.

Ein weiterer Faktor sind neue Regulierungen. Im Jahr 2018 kündigte die Europäische Union einen Aktionsplan an, der darauf abzielt, Investitionsströme auf ein nachhaltigeres, sozial verantwortliches und integratives Wachstum zu lenken. Dazu gehören Aspekte wie die Bewältigung finanzieller Risiken, die sich aus dem Klimawandel ergeben, und die Förderung einer langfristigen Perspektive für die Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns. Diese Ziele werden nach und nach formalisiert und in der Gesetzgebung kodifiziert – ein Prozess, der im März 2021 mit der Einführung der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) begann. Diese Verordnung soll die Transparenz darüber erhöhen, wie Finanzunternehmen Nachhaltigkeit in ihre Empfehlungen und Entscheidungen einfließen lassen. Auch in Deutschland gibt es Vorschriften auf nationaler Ebene, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das im Januar kommenden Jahres in Kraft treten wird und Unternehmen dazu verpflichtet, zu prüfen, ob ihre Lieferketten frei von Arbeits- und Umweltverstößen sind.

Die zentrale Rolle der Banken und Kreditinstitute

Es liegt auf der Hand, dass die Art und Weise, wie ein Unternehmen seine Finanzen kanalisiert, einen großen Einfluss darauf hat, diese erstrebenswerten Ziele zu erreichen – oder auch nicht. Gleichzeitig sind damit auch Banken und Finanzdienstleister in die ESG-Aktivitäten eines Unternehmens involviert und dies wirkt sich wiederum auf deren Fähigkeit aus, entsprechend den ESG-Prioritäten zu handeln.
Seit den Anfängen der modernen Wirtschaftssysteme sind Kredite und Darlehen die Motoren des Wirtschaftswachstums. Sie bieten Unternehmern und Unternehmen den Zugang zu Kapital und Investitionen, um ihre geschäftlichen Visionen in Erwartung künftiger Renditen zu verwirklichen. Wenn es darum geht, nachhaltigere, sozial verantwortliche Geschäftspraktiken mit Blick auf langfristigen Wohlstand und menschliches Wohlergehen zu entwickeln, spielen Banken und Kreditinstitute eine zentrale Rolle: Sie müssen die Ressourcen so verteilen, dass sie geschäftliche, soziale und regulatorische Ziele unterstützen.

Ein Gastbeitrag von Marlen Lawrenz

Herausforderung ESG-Management

Gegenwärtig sind viele Finanzdienstleister jedoch nicht in der Lage, eine wirkungsvolle Rolle bei der Bewertung der Unternehmen zu spielen, die sich an sie wenden, um Kredite und Darlehen zu erhalten. Technologien tragen dazu bei, dass Banken diese Anforderungen erfüllen können. Und dies stellt für viele aktuell eine Herausforderung dar.

Große, etablierte Banken werden weiterhin durch organisatorische Silos, einen Mangel an effektiver Automatisierung und ein Übermaß an manuellen Prozessen gebremst. Dies steht im starken Gegensatz zu den integrierten Systemen und dem automatisierten Datenaustausch. Beides ist die für eine aussagekräftige ESG-Bewertung sowie ein effektives ESG-Reporting erforderlich.
Die Pandemie ist ein weiterer Aspekt. Die Beschränkungen durch Covid-19 beschleunigten die anhaltende Verlagerung auf Online- und mobile Dienstleistungen. Während Banken und Finanzinstitute über die Weiterentwicklung ihrer Geschäfte nachdenken, müssen die Veränderungen, die für ein erfolgreiches Wirtschaften in der Zeit nach der Pandemie erforderlich sind, mit denjenigen abgestimmt werden, die für ein effektives ESG-Management und ein förderliches ESG-Reporting notwendig sind.

Erforderliche Strategien und Tools

Viele Institute wenden sich daher an Technologiepartner, die ihnen die Tools zur Verfügung stellen, die sie für die Erfassung der Daten für das Performance-Tracking, das Benchmarking, Stresstests sowie die Entwicklung einer Kreditrisiko-Methodik benötigen. Zudem benötigen diese Institute Tools für die Berichterstattung über die Erfüllung der definierten ESG-Ziele und ESG-Verpflichtungen sowie für die Einbettung der ESG-Strategie in die gesamte Organisation. In vielen Banken begann die Umsetzung einer ESG-Strategie in einer einzelnen Abteilung und muss nun auf die gesamte Organisation ausgeweitet werden.

Die Einbindung der ESG-Strategie in die tägliche Arbeit ist weitgehend eine Frage der technologischen Orchestrierung. Die Banken müssen den Großteil der Arbeit nicht selbst erledigen. Der Research-Sektor rund um Finanzdienstleistungen und Vermögensverwaltung liefert Einblicke, Daten und Bewertungen zu potenziellen Investitionen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, zusätzliche Informationen zur ESG-Performance bereitzustellen. Die Unternehmen selbst verfolgen ihre eigenen Schlüsselindikatoren für die ESG-Performance mit Audits, Zertifizierungen und der nachweislichen Einhaltung von Branchenstandards. Eine Plattform, die die relevanten Datenquellen von Drittanbietern integriert und ein Kundenportal zum Hochladen von Dokumenten bietet, ermöglicht es Banken, potenzielle Kreditnehmer hinsichtlich ihrer ESG-Leistung zu bewerten und die Auswirkungen eines bestimmten Kredits auf das ESG-Profil ihres Portfolios zu verstehen. Ist eine grundlegende Technologie-Plattform geschaffen, kann die Bank Erweiterungen entwickeln, um spezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Hierzu zählen beispielsweise die Überwachung der Angleichungen an EU-Taxonomien, die Nachverfolgung spezifischer ESG-Bedingungen für Kreditangebote oder auch die Erstellung von Modellen zur Prüfung der Umweltauswirkungen.

Sind die Grundlagen geschaffen, haben Banken und andere Finanzinstitute die großartige Gelegenheit, die Entwicklung von ESG-Strategien und des ESG-Reportings positiv zu gestalten – eine Chance, die Wunder bewirken könnte für den Ruf der Branche. Mit dem Einsatz von Technologien, die die ESG-Strategien, den Fußabdruck und die Geschäftstätigkeit eines Kunden umfassender bewerten können, sind Banken und Finanzinstitute in der Lage, Kredite und Darlehen als Mittel zur Förderung von Unternehmen und deren Praktiken einzusetzen, die positive soziale und ökologische Auswirkungen haben – worauf auch Stakeholder zunehmend Wert legen.


Marlen Lawrenz von nCino in einem Gastbeitrag auf finletterMarlen Lawrenz ist seit Anfang 2020 als Product Specialist Manager für die PreSales-Aktivitäten von nCino im deutschsprachigen Raum (DACH) verantwortlich. Hier entwickelt Marlen Konzepte und Lösungen, die es Finanzinstituten ermöglichen, den wachsenden Anforderungen von Kunden, Regulierung und Wettbewerbern mit zukunftsweisenden Technologien zu begegnen. Marlen verfügt über mehr als 18 Jahre Erfahrung im Bankgeschäft mit Schwerpunkten im Kreditrisikomanagement und Firmenkundengeschäft und betreute vor ihrem Wechsel zu nCino das europäische Hotelfinanzierungsportfolio einer internationalen Bank in London.

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