Nuri-Pleite: Marktentwicklung oder Eigenverschulden?
Der Berliner Kryptodienstleister Nuri hat nach vergeblichen Gesprächen mit Investoren am 9. August 2022 Insolvenz angemeldet. In einem Blogbeitrag des Unternehmens ist von „starkem makroökonomischen Gegenwind sowie einer Abkühlung der öffentlichen und privaten Kapitalmärkte” die Rede. Das Insolvenzverfahren wolle man als Grundlage nutzen, um ein tragfähiges Sanierungskonzept zu entwickeln. Euro-Einlagen auf dem Bankkonto, Bitcoin- und Ether-Einlagen in Wallets und Vaults sowie die Pot-Investitionen seien durch diesen Schritt nicht in Gefahr.
Die Frage ist: Ist Nuri das Opfer einer Marktentwicklung, die Fintechs schicksalsergeben hinzunehmen haben, oder sind die Berliner an ihrer Situation selbst schuld? Schließlich kämpfen auch andere Krypto-Handelsplattformen mit Problemen, schuld sind unter anderem die Kursverluste bei den digitalen Währungen. Um diese Frage zu klären, muss man einen Blick auf das Geschäftsmodell der Berliner werfen. Schließlich war Nuri keine Kryptobörse. Handeln konnte man lediglich Bitcoin und Ether. Vermutlich wollte man die Krypto-Welt so zugänglich wie möglich machen. Für Krypto-Enthusiasten war die App damit natürlich uninteressant. Und wer über Nuri Gefallen an der Thematik gefunden hat, wird früher oder später auf einen anderen Dienst umsteigen. Mit den Nuri Pots hat man die Option hinzugefügt, Geld in Aktien zu investieren, aber auch hier war die Auswahl eher begrenzt: Aktuell gibt es nur einen Pot, den „Allrounder”. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um einen ETF, sondern einen Dachfonds, zusammengestellt aus verschiedenen ETFs und einem Goldanteil. Damit bieten die Pots eine gute Risikostreuung, aber das tut ein Allworld-ETF auch. Und Apps, über die man ETF-Investments ausführen kann, gibt es einige. In der Regel können hier auch noch Einzelaktien, ETCs, Anleihen und eben auch Kryptos gehandelt werden.
Was Nuri von Kryptobörsen und Neobrokern unterscheidet, sind klassischen Bankfunktionen zu durchaus attraktiven Konditionen. Zum Konto gibt’s eine kostenlose Visa-Debitkarte, mit allen Funktionen, die so eine Karte eben hat. Andere Leistungen, beispielsweise Echtzeitüberweisungen, bietet Nuri nicht an. Vielleicht ist eine App, die viele Themen anschneidet, aber keinen Bereich wirklich abdeckt, einfach nicht das, was der Markt will.
Wenn man so will, dann ist die Insolvenz von Nuri eine radikale Anpassung an die Marktentwicklung. Aus der Einsicht heraus, das es nicht wie geplant weitergehen kann, folgt ein neues Management (in diesem Fall eine InsolvenzverwalterIn), eine Zwischenfinanzierung (drei Monate Insolvenzausfallgeld für die Belegschaft, wahrscheinlich der mit Abstand größte Kostenblock), ein Neuanfang im Marketing (die Marke Nuri dürfte ruiniert sein) und ein Kahlschlag bei der Kundschaft. Die dürfte zumindest verunsichert, wahrscheinlich sogar verärgert sein. Der trägere Anteil lässt sich vielleicht dennoch verkaufen. Schließlich übernimmt auch Evergreen die 30.000 Kund:innen vom insolventen Rubarb. „Never let a good crisis go to waste”, hat schon Winston Churchill gesagt.
etf.capital, spiegel.de, startbase.de
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Von Baby-Boomern bis GenZ stehen ganze weibliche Generationen vor der Frage, wem sie ihr Geld anvertrauen. Frauen als Zielgruppe werden über den Erfolg so mancher Player entscheiden. Zeit, gemeinsam nach Strategien zu suchen – auf dem Female Fintech Day am 28. September in Hamburg. Hast du eine Idee, die du teilen möchtest? Dann nimm am Call for Participation teil!
– Fintech-News Deutschland –
Fabit kooperiert mit Lowell: Das Berliner Fintech Fabit arbeitet zukünftig mit dem internationalen Inkasso-Dienstleister Lowell zusammen. Die Fabit-App hilft dabei, Ausgaben im Blick zu behalten und die eigene finanzielle Situation richtig einzuschätzen. Zukünftig wird sie auf der Webseite von Lowell zum Download angeboten. Pressemitteilung
Mögliche Fusion: Die beiden Identitätsdienstleister Yes und Vermimi stehen möglicherweise vor einer Fusion. Berichten zufolge wird ein solcher Schritt in den Gremien des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes diskutiert. finanz-szene.de
Neue Fintech-Strategie: Vor vier Jahren hat die ING das Berliner Start-up Lendico übernommen. Jetzt wird integriert das Fintech vollständig ins eigene Geschäft integriert. Die niederländische Bank will so die eigene Business-Banking-Sparte stärken. finance-magazin.de
Auch wichtig:
+++ Die Zahl der ausgegebenen Kreditkarten ist in Deutschland im letzten Jahr deutlich zurückgegangen, immer mehr Banken setzen auf Debitkarten. finanz-szene.de +++ Die Berliner Neobank Vivid Money bietet jetzt auch Dispokredite bis zu 5.000 Euro und Ratenzahlungen an. biallo.de +++
– Neue Finanzierungsrunden –
+++ Die Berliner Krypto-Firma Unstoppable Finance hat bei einer von Lightspeed Venture Partner angeführten Serie-A-Finanzierungsrunde 12,5 Millionen Euro eingeworben. medium.com +++ Im März sind die BayernLB und die Helaba beim Frankfurter Fintech VC Trade eingestiegen, jetzt gibt es Zahlen zu dem Deal. Für zehn Prozent haben die beiden Landesbanken je drei Millionen Euro gezahlt. Für VC Trade ergibt sich so ein Unternehmenswert von 30 Millionen Euro. finanz-szene.de +++ Das Regensburger Start-up Anybill hat sich neues Kapital besorgt. Drei Millionen Euro haben Mutschler Ventures, Wenvest und Auxxo investiert. financefwd.com +++ Das Karlsruher Start-up Bavest hat in einer Pre-Seed-Finanzierungsrunde einen sechststelligen Betrag von den Business Angels Moritz Luck, Dieter Staib, Felix Leonhardt und Alexander Burlis bekommen. deutsche-startups.de +++
– Neue Podcast-Folgen –
+++ Beim LABS-Podcast sind die Fintech-Gründerin Christine Kiefer und Kristina Jeromin, Geschäftsführerin des Green and Sustainable Finance Clusters Germany, zu Gast. Das Thema ist Sustainable Finance. fintropolis.de +++ Beim Talk between the Towers beantwortet Kevin Krüger (TLGG Consulting) Fragen rund ums Thema Corporate Banking. podcasts.apple.com +++ Finance Forward spricht mit Managerin Nadine Methner über die Business-Banking-Strategie der ING. financefwd.podigee.io +++ Im Finanz-Szene-Podcast geht es um den Aufstieg der Raiffeisenbank im Hochtaunus, dazu ist Vorstandschef Achim Brunner zu Gast. finanz-szene-podcast.podigee.io +++
– News International –
Geld- und Justizprobleme: Die chinesische Kryptobörse Hotbit setzt Handel und Abhebungen vorerst aus. Der Grund sind Ermittlungen gegen einen Ex-Mitarbeiter des Unternehmens. Die Strafverfolgungsbehörden haben zudem Mittel des Unternehmens eingefroren. btc-echo.de
Rote Zahlen: Der Krypto-Crash hat bei der größten US-Kryptobörse deutliche Spuren hinterlassen. Das zweite Quartal des laufenden Geschäftsjahres beendete das Unternehmen mit einem Verlust von 1,1 Milliarden Dollar. Im Vorjahreszeitraum hatte unterm Strich ein Gewinn von 1,6 Milliarden Dollar gestanden. futurezone.at
Frisches Geld für Ageras: Das Kopenhagener Fintech Ageras, das erst kürzlich Kontist übernommen hat, bekommt von der kanadischen CIBC 35 Millionen Euro. Das Kapital soll für weitere Zukäufe genutzt werden. biallo.de
– Treffpunkte –
Fintics 2022: Im Deloitte Greenhouse findet die diesjährige Finitcs statt, es geht um die Schnittstelle von Fintech und Politik. Themen sind zum Beispiel das Zukunftsfinanzierungsgesetz und Sustainable Finance. Die Veranstaltung wird auch online übertragen. 9. September 2022, Berlin und online
40. Europace Konferenz: Bei der Europace Konferenz gibt es zahlreiche Vorträge zu Themen wie Baufinanzierung, EU-Regulierungen und den Umgang mit Krisensituationen. Die Veranstaltung wird digital abgehalten. 29. September 2022, online
Fintech des Jahres 2022: Payment & Banking nominiert für diesen Award Fintechs, den Sieger kürt eine unabhängige Fachjury. Die Preisverleihung findet im Rahmen einer Gala statt. 16. November 2022, Offenbach
FintechWorld23: Bei dieser Fintech-Messe haben Start-ups außerdem die Gelegenheit, ihr Geschäftsidee zu präsentieren. Eine Jury wählt das Unternehmen mit dem innovativsten Ansatz aus. 18.–19. April 2023, Berlin. finletter ist Medienpartner des Events
Mehr Veranstaltungen zu Fintech findet ihr im Event-Kalender auf finletter.de. Hier könnt ihr uns Tipps für Events geben.
– Wochenendlektüre –
Der „WOC Prüfbericht“: Finance Forward befasst sich mit dem wahren Wert des Neobrokers Smartbroker und versucht herauszufinden, warum das Unternehmen sich selbst armrechnet. finanz-szene.de
Conversational Banking und Betrugsprävention: Digitale Customer Journeys fordern Banken und Finanzinstitute. Wie sicher sind Kundendaten? Wo wird in zeitgemäße Biometrie investiert? Welche Bereiche haben am meisten Potenzial? Eine aktuelle Expertenbefragung gibt Antworten. der-bank-blog.de [gesponsert]
– Das Beste zum Schluss –
Vom Start-up-Büro ins Wirtschaftsministerium: Der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ berät Wirtschaftsminister Robert Habeck zu den Themen Technologie und Start-ups. Auch Miriam Wohlfarth, Gründerin der Banxware GmbH, Anna Alex, Geschäftsführerin der Planetly GmbH und Katharina Gehra, Gründerin und CEO der Immutable Insights GmbH wurden in das Greumium berufen. businessinsider.de, bmwk.de
Autor
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Clas Beese ist freier Journalist und Content Creator für Fintech. Er ist Gründungsherausgeber von „Zebra – Magazin für Sustainable Finance“.