Wie wurden die Banken doch in den letzten zwei Jahren quasi tot geschrieben! Disruptive Fintechs würden sie überflüssig machen, zu behäbig und zu beschäftigt mit sich selbst, als dass sie sich gegen die wendigen Start-ups wehren könnten. Eigentlich sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Banken den „Tod der tausend Nadelstiche“ sterben würden. Das erschien auch mir vor ein bis zwei Jahren noch durchaus vorstellbar. Immerhin konnte man sich mit dieser Meinung auch auf Bill Gates berufen, der bereits 1994 postuliert hatte: „Banking is necessary, Banks are not.“
Und tatsächlich: Fintechs haben eine ganze Menge in Bewegung gesetzt in der verkrusteten Bankenbranche. Einige wenige im Speziellen erzielten bislang Achtungserfolge: N26 kann immerhin auf über 300.000 Kunden in verschiedenen Ländern Europas blicken; Scalable Capital konnte über 200 Millionen Euro verwaltetes Vermögen und eine Kooperation mit Siemens verkünden. Aber in der Breite?
Der Kunde will nicht mitspielen
Da schaffen es die meisten Fintechs nicht, eine kritische Masse an Kunden von sich zu überzeugen. Und so stellen sie denn in der Regel auch nur Download-Zahlen für ihre Apps ins Schaufenster. Zahlen zu aktiven Nutzern gibt kaum eines der Start-ups heraus. Es ist schon paradox: Da reißen sich die jungen Unternehmen ein Bein aus, um Finanzen vom Kunden her neu zu denken, aber der spielt einfach nicht mit!
Die Gründe dafür dürften vielseitig sein: Die Marketing-Budgets der Neulinge sind überschaubar, virales Marketing in den sozialen Medien funktioniert aber leider auch nur selten. Das Vertrauen in die Start-ups ist zudem (noch) nicht groß genug, um ihnen in größerem Stil hart verdientes Geld anzuvertrauen.
Überhaupt: Wer will schon zehn verschiedene Apps nutzen, um alle Funktionen zu haben, die die Bank aus einer Hand bietet? Richtig: Niemand! Und so dümpeln viele Fintechs derzeit mehr schlecht als recht vor sich hin.
Die Branche wandelt sich – und die Banken nehmen Fahrt auf
Die Banken sind derweil aus ihrer anfänglichen Schockstarre aufgewacht: Die Sparkassen bringen Yomo an den Start (Disclosure: Der Autor arbeitet für die Hamburger Sparkasse), die Volksbanken experimentieren mit Bankomo und die Deutsche Bank wagt einen Angriff im Mobile Payment. Manches davon mag mehr oder weniger dreist kopiert sein, aber wer fragt da am Ende nach? Kwitt, das P2P-Payment der Sparkassen, soll innerhalb kürzester Zeit über 300.000 Anmeldungen haben. Zahlen, die jedes Fintech vor Neid erblassen lassen.
Darüber hinaus haben die meisten Banken diejenigen unter den Fintechs, die Kooperationswillen gezeigt haben, freundlich umarmt. Manchmal ist das Fintech dabei sichtbar geblieben, oft wurde das eigene Produkt als White-Label an die Banken geliefert. Die besetzte damit weiterhin die Schnittstelle zum Kunden. Fintechs treten hier einen Schritt zurück und werden zu reinen Technologie-Lieferanten. Das ist sicherlich das nachhaltigere Geschäftsmodell, zeigt aber, dass das Momentum mittlerweile eher auf Seiten der Banken liegt.
Wer diesen Schritt noch nicht gegangen ist und es weiterhin selbst an der Kundenschnittstelle versucht, sieht sich mittlerweile in schwerem Fahrwasser. Hier klauen sich die Fintechs gegenseitig die Kunden – ein Blutbad, bei dem die Banken mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen zuschauen.
Die Bank gewinnt immer…
Es scheint sich somit die alte Binsenweisheit zu bestätigen: Die Bank gewinnt immer. So oft schon totgesagt, haben sie sich als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen und diese Angriffswelle wie ein Judoka abgewehrt. Sie haben die Energie des Angreifers mitgenommen und zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Die Banken freut’s, die Kunden erst recht. Und die Fintechs? Die dürften mit ihrer Rolle im Hintergrund in der Breite durchaus zufrieden sein. Das stimmt zumindest für die Geschäftsleute unter ihnen, denn auch sie dürfen sich als Sieger fühlen. Idealisten trauern indes im Zweifel einer verpassten Chance nach.
Aber: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Die nächste Bedrohung ist bereits am Horizont zu erkennen. Tech-Giganten wie Google, Apple und Facebook drängen in einzelne Bereiche des Banking – nicht, weil sie zur Bank werden wollen, sondern um Kunden in ihrem Ökosystem zu halten. Banking als Funktion und nicht als Produkt. Diese Herausforderung dürfte für die Banken ungleich härter werden, denn die Tech-Riesen verfügen über Know-How, talentierte Mitarbeiter und vor allem viel Geld. Genug Geld, um aus der Portokasse ganze Großbanken aufzukaufen.
Am Ende dürfte hier doch noch die große Stunde der Fintechs schlagen: Denn ohne deren Hilfe dürfte es für die Banken schwer werden, in diesem Kampf zu bestehen. Also könnten aus den einstigen Angreifern am Ende sogar die Retter der Banken werden. Dann muss der Spruch vielleicht umformuliert werden: Die Bank gewinnt immer – aber nur dank Fintech.
Autor
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Caro Beese ist freie Finanzjournalistin mit den Schwerpunkten Female Finance und Sustainable Finance. Sie ist Gründungsherausgeberin von „Zebra – Magazin für Sustainable Finance“ und steckt hinter den Female Fintech Friends.