Vor vielen Jahren hatte ich mir die Aktien einer US-Firma mit scheinbar glänzenden Zukunftsaussichten gekauft. Aqua Society Inc. hieß die und wollte damit groß werden, dass sie die Wasserversorgung in den unterversorgten Regionen der Welt verbessert. Ich war naiv, geblendet von der Aussicht auf große Gewinne. Immerhin kannten die Kurse nur eine Richtung, nämlich die nach oben. Diese Chance konnte ich mir doch nicht entgehen lassen! Und die Story klang doch so nachvollziehbar und zukunftsträchtig.
Wie blöd von mir, aber: Zum Glück bin ich am Ende sogar noch mit einem kleinen Gewinn aus der Sache rausgekommen. Rechtzeitig raus, bevor der große Crash kam. Fünf Aktien behielt ich, man weiß ja nie. Seit Jahren liegen diese nun mit einem Kurswert von exakt 0,00 Euro in meinem Depot – und sind mir eine Warnung.
Welcher Wert steckt eigentlich hinter Bitcoin?
Trotz dieser Erfahrung bin ich gerade wieder so weit, auf einen ganz großen Hype aufspringen zu wollen – Bitcoin. Ein gewagter Vergleich, sagen Sie? Pump-and-Dump-Aktie vs. der Star unter den Kryptowährungen. Doch bei allem Hype sollte man einmal innehalten und einen Moment darüber nachdenken, sage ich.
Damals wie heute ging es um Versprechen auf die Zukunft. Darum, an einer Rallye teilzuhaben und schnelles Geld zu verdienen. Aber auch um Spekulation, um eine Wette und die Frage: Welche Substanz steckt eigentlich dahinter? Diese Frage darf – und muss – man aktuell auch bei Bitcoin stellen.
Der Bitcoin-Kurs lebt von der Spekulation
Sicher: Die Blockchain-Technologie ist das große Thema (nicht nur!) in der Finanzbranche. Was könnte man damit nicht alles Gutes tun? Welche Effizienzen könnte man damit heben? Welche neuen Möglichkeiten und Geschäftsmodelle werden damit erst möglich? Alles richtig, keine Frage. Nur muss man unterscheiden zwischen der grundlegenden Blockchain-Technologie als solches und dem Bitcoin, quasi dem Proof-of-concept dafür.
Auch wenn der Kurs des Bitcoin allen Schwankungen zum Trotz nur den Weg nach oben kennt, stellt sich die Frage nach seinem eigentlichen Wert. Schaut man einmal nüchtern hinter die Kulissen des Hypes, kommen einem doch einige Zweifel. Denn die zentrale Funktion einer Währung liegt eigentlich darin, dass sie den frühgeschichtlichen Tauschhandel ablöst und als Zahlungsmittel dient. Und genau das tut Bitcoin – Ausnahmen bestätigen die Regel – nicht.
Stattdessen lebt der Bitcoin-Kurs wesentlich von zwei Faktoren: Zum einen chinesischen Angstsparern, die ihr Erspartes gegen allzu starke Schwankungen des Yuan absichern wollen und im stark reglementierten chinesischen Markt einfach keine andere Möglichkeit finden. Zudem seit einiger Zeit von professionellen Börsenzockern, die gemerkt haben, dass man mit den Schwankungen der Kryptowährung schnelles Geld verdienen kann.
In seiner jetzigen Form hat der Bitcoin keinen harten inneren Wert
Einen echten Wert bekäme Bitcoin dann, wenn es ein weit verbreitetes und akzeptiertes Zahlungsmittel würde. Aber kann es das in seiner jetzigen Form überhaupt? Ganze sieben Transaktionen kann das System pro Sekunde verarbeiten und mit dem SegWit-Update wird diese Kapazität sicherlich ein Stück weit steigen. Das reicht aber noch nicht einmal aus, um den Zahlungsverkehr einer kleinen Provinzsparkasse zu übernehmen. Von einer ganzen Volkswirtschaft oder gar der Welt – und dafür wäre er ja prädestiniert – ganz zu schweigen.
Das System ist also viel zu langsam, um als echte Zahlungswährung zu fungieren. Ein Problem, das systeminhärent ist, also auch nicht mal eben gefixt werden kann. Bleibt also nur noch die Funktion als „digitales Gold“ zur Wertaufbewahrung. Nur dass physisches Gold wenigstens als Schmuck- und Industrierohstoff einen realen Gegenwert hat. Deshalb hat Gold und nicht etwa Muscheln oder Kieselsteine weltweit eine solche Bedeutung.
Wenn jetzt Investmentbanken wie Goldman Sachs erneut Kursziele jenseits der 3.000 Euro je Bitcoin ausrufen, dann mag da kurzfristig etwas dran sein, weil der Hype den Hype nährt. Nur steckt dahinter – bisher – keine Substanz.
Was wir daraus lernen können
So schließt sich der Kreis zu meiner Eingangsstory. Dieses Mal bin ich vorsichtiger. Ein bisschen jedenfalls. Zwischenzeitlich habe ich auch ein paar Mal Bitcoins ge- und wieder verkauft. Muss sein, denn als Fintech-Experte muss man alles einmal selbst ausprobiert haben, wenn man nicht wie der Blinde von der Farbe sprechen will. Und fast hätte mich der Hype wieder einmal mit angesteckt. Doch dann habe ich mein Depot angeschaut und da waren sie: meine fünf Null-Euro-Aktien von Aqua Society als Warnung.
Vielleicht verpasse ich gerade die Anlage-Chance meines Lebens. Vor Jahren hätte man mit 1.000 Bitcoin immerhin gerade einmal eine Pizza kaufen können, heute mehrere Kilo Gold. Nur kann mir bisher niemand nachvollziehbar erklären, welchen echten Wert ein Bitcoin in seiner derzeitigen Form haben soll. Wie gesagt: Die Technologie dahinter hat das Potential, die Welt zu verändern. Beim Bitcoin bleibe ich skeptisch. Vielleicht sollte die aktuelle Marktschreierei der Investmentbanken auch eher ein Warnsignal sein…
Autor
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Caro Beese ist freie Finanzjournalistin mit den Schwerpunkten Female Finance und Sustainable Finance. Sie ist Gründungsherausgeberin von „Zebra – Magazin für Sustainable Finance“ und steckt hinter den Female Fintech Friends.