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Bankvorstände setzen auf die falschen Projekte – und die falschen Berater

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  • Friedrich

    Friedrich-W. Kersting befasst sich seit 2012 mit dem Thema Fintech, zunächst theoretisch als Professor an einer privaten Hochschule, dann operativ bei einem Banken-Start-up und aktuell bei einer Schweizer Großbank. Zuvor war der an der Hochschule St. Gallen promovierte Kersting zehn Jahre im Private Banking in Deutschland und der Schweiz tätig.

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Und jetzt ihr:

Kennt ihr bereits Deutschlands größte und vielseitigste Fintech-Veranstaltung? Die Fintech Week veranstalten wir das nächste Mal vom 26.–30. September 2022.

Um im rauer werdenden Wettbewerbsumfeld zu bestehen, müssen Banken kundenorientierter, innovationsfähiger, agiler und effizienter werden. Bei solch einem umfangreichen Anforderungskatalog verwundert es nicht, dass Vorstände und Führungskräfte vermehrt auf externe Berater zugreifen. Deren Unterstützung sollte idealerweise nicht aus hochtrabenden, akademischen Denkmodellen und überlangen Analysen des Status Quo bestehen.

Stattdessen sollte es vor allem darum gehen, ganz pragmatische Lösungen aufzuzeigen und den Soll-Zustand herzustellen. Wie lassen sich die zahlreichen, bereits laufenden Projekte priorisieren? Wie schneller, agiler und erfolgreicher umsetzen? Wie lassen sich die Erträge steigern? Und die Kosten senken? Und wie können die Mitarbeiter bei der digitalen Transformation „mitgenommen“ werden?

K.O. durch Kompetenzsimulation!

Doch statt darauf konkrete Antworten zu liefern, konzentrieren sich viele Consultants hauptsächlich auf Buzzword geprägtes Imponier-Geschwafel und verkaufen Reiseeindrücke aus dem Silicon Valley als Erfahrung und Prominenz als Kompetenz. Vollkommen zu Recht fragt aktuell das „Manager Magazin“, was zum Beispiel Wladimir Klitschko befähigt, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Fazit der Autoren: nichts!

Und dennoch hängen viele Vorstände solchen „Beratern“ an den Lippen und buchen von ihnen kostspielige „Innovationsreisen“ ins Silicon Valley oder in die Start-up-Szene Berlins. Dort werden Hippster und ihre Ideen bestaunt und man beschließt im Rausche der Begeisterung, MVPs und schicke Prototypen zu entwickeln. Meist verfliegt aber die Begeisterung genau so schnell, wie sie entstanden ist. Denn viele der launig vorgetragenen Visionen entpuppen sich dann eben doch als zu banal oder technisch/ regulatorisch nicht realisierbar. K.O. durch Kompetenzsimulation!

Viele Berater sondern nur heiße Luft ab, meint finletter-Autor Friedrich-W. Kersting.
Viele Berater sondern nur heiße Luft ab, meint finletter-Autor Friedrich-W. Kersting.

You don’t get battle scars from a powerpoint!

Und was ist der Rat von 28-jährigen „Senior Managern“ in den großen Beratungshäusern wert, die noch nie in einer Bank gearbeitet haben, noch nie an der Kundenfront waren und noch nie ein Bankprodukt vertrieben haben? Ohne Bankerfahrung sind viele ihrer Konzepte theoretisch sehr gut konzipiert und schlüssig auf Powerpoint dargestellt – aber in der Praxis schnell als akademische Kopfgeburt identifiziert und nicht wie gedacht umsetzbar.

Als Beispiel sei hier auf Paydirekt verwiesen. Unter der Federführung von Bain schlossen sich etliche Volksbanken, private Banken und Sparkassen zu dem Gemeinschaftsprojekt „Paydirekt“ zusammen. Ziel war es, eine deutsche Antwort auf den weltweit führenden Online-Bezahldienst Paypal aus den USA zu etablieren. Offenbar ein zu ambitioniertes Ziel: Aktuell hat Paydirekt etwa 1,3 Millionen Nutzer und 1.400 angeschlossene Händler – Paypal hat in Deutschland ungefähr 19 Millionen Nutzer und 15 Millionen angeschlossene Händler.

Grund dieses für die Initiatoren äußerst ernüchternden Zwischenstandes ist – neben der vermutlich sehr schwerfälligen Gesellschafterstruktur – vor allem ein fehlendes Kundenbedürfnis. Paypal ist einfach gut und der Kunde sieht keinen Grund, zu wechseln.

Kundenbedürfnis muss in den Fokus rücken

An anderer Stelle bestünde aber durchaus die Möglichkeit, ein echtes Kundenbedürfnis in den Mittelpunkt zu stellen und sich als Bank zu profilieren. So ist den Kunden heute doch nur noch schwer zu vermitteln, dass kaum Produkte online verfügbar sind und eine simple Kontoeröffnung meistens immer noch länger als einen Tag dauert. Aus anderen Branchen sind die Kunden eine Echtzeit-Verfügbarkeit von Leistungen gewöhnt. Und wieso werden technologische Errungenschaften zum Beispiel aus dem Robo Advice nicht auf das Privatkundengeschäft übertragen? Offensichtlich wird unterstellt, dass diese Kunden komplett online-avers sind und bei jeder Gelegenheit mit ihrem Berater sprechen möchten. In der Filiale! Zu den kundenunfreundlichen Öffnungszeiten der Bank! Was für ein Irrtum! Und warum im Banking bis heute keine mehrwertstiftenden Plattformmodelle erkennbar sind, bleibt wohl auch das Geheimnis der Vorstände.

Diese sollten das Thema Digitalisierung ernster nehmen, die Chancen nutzen, kundenzentrierte Geschäftsmodelle umsetzen, den Automatisierungsgrad der bankinternen Prozesse signifikant erhöhen und – falls nötig – sich statt eines plappernden Paradiesvogels im Kapuzenpulli einen Berater auf Augenhöhe wählen. Einen, der eine ausgeprägte Bankkompetenz mitbringt und idealerweise einen Hintergrund als IT- oder Software-Dienstleister hat. Denn Banken-IT wird auch in Zukunft ein zentraler Wettbewerbsfaktor und Grundlage jeder Innovation sein.

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  • Friedrich

    Friedrich-W. Kersting befasst sich seit 2012 mit dem Thema Fintech, zunächst theoretisch als Professor an einer privaten Hochschule, dann operativ bei einem Banken-Start-up und aktuell bei einer Schweizer Großbank. Zuvor war der an der Hochschule St. Gallen promovierte Kersting zehn Jahre im Private Banking in Deutschland und der Schweiz tätig.