Was waren das für aufregende Zeiten in den letzten drei Jahren! Erst vereinzelt und später dann in immer kürzeren Abständen tauchten immer neue Fintech-Start-ups auf. Die meisten von ihnen haben uns mit ihren neuen und innovativen Ideen verzaubert. Es war die (Wieder-)Geburtsstunde von Buzzwords wie „disruptiv“ oder „spannend“, die zwischenzeitlich schon mit Geldstrafen für das Phrasenschwein belegt waren. Und dennoch waren sie meistens passend.
Es war die Zeit, in der Robo Adviser sich anschickten, den Banken das lukrative Geschäft mit der Vermögensanlage in Wertpapieren zumindest im Retailgeschäft abzujagen. Von nicht weniger als der „Demokratisierung der Geldanlage“ war die Rede. Wow, wir waren geflasht – ich zumindest. Es war auch die Zeit flippiger Apps für Peer-to-Peer-Zahlungen wie zum Beispiel Cookies. Die sind zwar zwischenzeitlich insolvenzbedingt vom Markt verschwunden, machten aber mächtig Rummel. Oder ein Berliner Fintech namens Number26, das es erstmals möglich machte, ein Girokonto binnen acht Minuten komplett einschließlich Legitimation am Smartphone zu eröffnen. Ein echter Knaller! Und ein Vorbild für weitere Gründungen und nicht zuletzt die etablierten Banken.
Und es war die Zeit, als die Blockchain die Welt auf den Kopf stellen wollte und für die Kurse von Kryptowährungen scheinbar nur noch galt: The sky is the limit. Es war ein bisschen eine Mischung aus wildem Westen und kreativer Anarchie. Das Leben als Musikfestival.
Die Zeiten ändern sich – und mit ihnen die Fintech-Szene
Aber diese Zeiten sind irgendwie vorbei. Wo ich vor ein oder zwei Jahren jedes Mal fasziniert war, wenn ich die Fintech-News im finletter gelesen habe, ist mittlerweile Routine und Ernüchterung eingekehrt. Natürlich sind noch immer viele tolle Fintechs da draußen und entwickeln sich. Aber der Zauber des Anfangs ist irgendwie dahin.
Die Themen sind noch immer dieselben wie vor drei Jahren: Es geht um Robo Adviser, die es mittlerweile gibt wie Sand am Meer. Es geht um Payment-Dienste, von denen es immer weniger gibt, weil sich die Branche konsolidiert. Und es geht um Smartphone-Girokonten, die sich langsam aber sicher in Smartphone-Gemischtwarenläden verwandeln.
Die News werden mittlerweile beherrscht von großen Finanzierungsrunden für einige wenige etablierte Fintechs und von Kooperation zwischen Fintechs und etablierten Banken. Und natürlich von Nachahmer-Angeboten der etablierten Banken. Nach Meldungen mit echtem Wow-Faktor sucht man dagegen meist vergeblich.
Die Szene wird erwachsen – und damit langweiliger und spießiger
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Szene wird mittlerweile erwachsen. Das haben ja neulich auch Clas Beese und Carolin Neumann hier auf finletter geschrieben. Erwachsen werden ist per se nicht schlecht, eigentlich sogar eine positive Entwicklung. Immerhin heißt das, dass sich ihre Technologien und Ideen am Markt etablieren und einer breiteren Masse an Kunden zugänglich wird. Und es bedeutet eine Professionalisierung, die letztlich den Kunden zugute kommt. Nur macht es die Szene damit auch: gewöhnlicher, langweiliger und irgendwie auch ein bisschen spießig.
Wer Fintech-Konferenzen oder -Meetups besucht, der hört immer mehr Diskussionen, wie man sie auf klassischen Bankenveranstaltungen ähnlich hört. Es geht um Regulatorik und um Nachwuchsprobleme. Es geht um Kostendiskussionen und Monetarisierungsstrategien. Damit man mich nicht falsch versteht: All das ist notwendig und richtig. Nur so haben Fintechs auch dauerhaft eine Chance, sich festzusetzen. Und trotzdem geht dabei irgendetwas an Zauber verloren, wenn etwa N26 mittlerweile kostenpflichtige „Premium-Konten“ mit Versicherungspaketen anbietet, die so auch von jeder x-beliebigen Großbank oder Sparkasse hätten kommen können.
Aber vielleicht ist es ein bisschen, wie mit den eigenen Kindern. Man ist begeistert, wenn sie auf die Welt kommen. Man ist fasziniert, wenn sie wachsen und die Welt entdecken. Man ist stolz, wenn sie sich zu tollen kleinen Menschen entwickeln und irgendwann groß werden. Man liebt sie in jeder Lebenslage – aber der ganz besondere Zauber der ersten Jahre vergeht mit der Zeit und kommt nie mehr so ganz zurück. Oder um es mit Opa Hoppenstedt zu sagen: „Früher war mehr Lametta!“
Autor
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Tobias Baumgarten ist digitaler Banker, Blogger und Fintech-Experte. Er schreibt unter anderem auf aboutfintech.de über Fintech und hatte mal eine finletter-Kolumne.