Be different – or die! Diese Marketing-Weisheit stellt die Banken in Zeiten zunehmender Wettbewerbsintensität vor immer größere Herausforderungen. Denn die Institute werden von den Kunden zunehmend als beliebig austauschbar wahrgenommen.
Das verwundert nicht. Schließlich verlieren die Produkte und Lösungen als Differenzierungsmerkmal immer weiter an Bedeutung. Und auch eine längerfristig anhaltende Differenzierung beim Zugang zum Kunden ist nur schwer zu schaffen. Und wie sich eine Differenzierung über Beratung erreichen lassen soll, wenn sich alle Banken durch diesen Faktor differenzieren wollen, bleibt wohl das große Geheimnis der Branche. Denkbar erscheint einzig, sich als Marke von Wettbewerbern zu unterscheiden – zumal die Kunden bei dem für sie meist leidigen Thema Finanzen aufgrund der vorhandenen Informationsflut ohnehin schnell von Pilot auf Autopilot umschalten. Sie entscheiden dann verstärkt intuitiv und emotional.
Herausforderer der deutschen Banken profilieren sich durch Emotionen
Die derzeit erfolgreichsten Bankenherausforderer Monzo, Revolut und N26 sprechen daher gezielt die emotionale Ebene an – mit Erfolg! Die Kunden wechseln zu diesen Anbietern, weil sie sie als jung, cool und kundennah wahrnehmen und nicht, weil die Lösungen besser sind als die der traditionellen Banken (sind sie nämlich nur bedingt). Erreicht wurde dieses positive Image durch einen konsequenten Fokus auf technologieaffine Kunden sowie gutes Zuhören und Erfassen der Kundenwünsche. So finden bei Revolut immer wieder Meet-ups statt, informelle Treffen mit Kunden, bei dem Feedback und Wünschen aufgenommen werden. Und N26 lädt wöchentlich einige Kunden ins Büro zu Nutzertests neuer Funktionalitäten ein.
Noch zielgruppengerechter gehen Anbieter wie zum Beispiel Insha oder Kontist vor: Das gerade für Deutschland angekündigte Insha (finletter berichtete) richtet sich vor allem an hier lebende Türken, die ein Sharia-konformes Mobile-Banking-Angebot wünschen. Kontist wiederum adressiert Freelancer, die wegen ihrer Einkommensschwankungen bei traditionellen Banken oft um Konto oder Dispo-Kredite kämpfen müssen. Sowohl Insha als auch Kontist stellen bewusst einen emotionalen Kontext her („Kontist – von Freelancern für Freelancer gegründet!“), damit aus Kunden schneller überzeugte Anhänger („Kontisten“) werden, die sich mit dem Unternehmen eng verbunden fühlen. Von wem die einzelnen Produkte (Konto, Karte, Geldanlage etc.) kommen, ist für die Kunden dann vollkommen sekundär.
Deutsche Banken – Produktbanken oder Kundenbanken?
Alle genannten Bank-Herausforderer sehen ihre Kernkompetenz darin, den Kunden in den Mittelpunkt aller Überlegungen zu stellen und ihm die gewünschte Kundenerfahrung zu bieten. Und die Banken? Die müssen sich nun sehr ernsthaft überlegen, wohin sie mit ihrem Geschäftsmodell wollen. Möchten sie sich zukünftig konsequent nur noch als Produktzulieferer positionieren? Oder möchten sie als Kundenbank relevant bleiben? Das wäre empfehlenswert!
Allerdings müssten auch sie mehr „emotionalisieren“, ohne Monzo, Revolut und N26 zu kopieren. Denn keine traditionelle Bank dürfte jemals wieder als jung oder gar cool wahrgenommen werden und entsprechende Vorhaben scheitern (siehe Yomo). Hier ist der Image-Vorsprung der Herausforderer mittlerweile zu groß. Aber für den breiten Markt sind Attribute wie vertrauenswürdig, modern und individuell ohnehin viel entscheidender. An der Stelle haben die Banken nach wie vor sehr gute Chancen, sich erfolgreich zu positionieren.
Dazu sollte jedoch nicht mehr der Kunde – den gibt es nämlich nicht – in den Mittelpunkt gerückt werden, sondern klar definierte Kundengruppen. Diese müssten auch nicht mehr nach Alter und Vermögensklassen/ AuM definiert werden, sondern konsequent nach Kundenbedürfnissen und -nutzen (Benefit Segmentation). Die Banken sollten passgenaue, kundenspezifische, jederzeit verfügbare Angebote schaffen und etwa für vermögende Singles, mittelständische Unternehmen, kommerzielle Immobilieninvestoren, Senioren oder Selbständige Hilfe und Unterstützung anbieten, die idealerweise über das traditionelle Bankgeschäft hinausgehen.
Wie der Wandel gelingen kann
Dafür aber müssten sich die Banken, die bisher weitestgehend unabhängig von anderen Akteuren agieren, öffnen. Sie müssten Plattformen schaffen, in die sich die Angebote Dritter leicht integrieren lassen und deren Customer Journeys einzig nach den Präferenzen und Anforderungen der einzelnen Kundengruppen ausgerichtet sind. Nur wenn sich die Banken mitten im Leben der Kunden als vertrauenswürdige Schnittstelle positionieren, gelingt der Aufbau der wichtigen emotionalen Bindung.
Auch Bankkunden könnten dann (wieder) zu treuen Anhängern werden. Aktuell sind sie es definitiv nicht und lediglich zu bequem, um zu wechseln – doch das wird sich ändern und der Abwanderungstrend immer mehr Fahrt aufnehmen. Die Banken sollten sich daher beeilen.
Autor
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Friedrich-W. Kersting befasst sich seit 2012 mit dem Thema Fintech, zunächst theoretisch als Professor an einer privaten Hochschule, dann operativ bei einem Banken-Start-up und aktuell bei einer Schweizer Großbank. Zuvor war der an der Hochschule St. Gallen promovierte Kersting zehn Jahre im Private Banking in Deutschland und der Schweiz tätig.