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Pressefoto DKM

DKM 2018: Digitales Feuerwerk oder Insurtech-Kater?

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  • Moritz Finkelnburg

    Der gebürtige Berliner studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Berlin, Heidelberg und Barcelona, bevor er im Staatsrecht an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg promovierte. In den letzten Jahren war er in verschiedenen Management- und Vorstandspositionen mit den Schwerpunkten Vertrieb, Komposit und Digital tätig. Von 2016 bis 2019 baute Dr. Finkelnburg an der Frankfurter Goethe Business School als Akademischer Direktor den Bereich Versicherungen mit Schwerpunkt Digitalisierung auf. Seit 2019 ist er Mitglied des Vorstandes der BGV-Versicherung AG.

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Und jetzt ihr:

Kennt ihr bereits Deutschlands größte und vielseitigste Fintech-Veranstaltung? Die Fintech Week veranstalten wir das nächste Mal vom 26.–30. September 2022.

Die DKM 2018 hat ihre Tore seit wenigen Tagen geschlossen. Mehr als 17.000 Besucher drängten sich auf der größten Fachmesse der Versicherungsbranche. Versicherer, Makler, Pools und zahlreiche Dienstleister tummelten sich in den Dortmunder Westfalenhallen, um News, Klatsch und Tratsch auszutauschen, neueste Produktinnovationen zu diskutieren, Promis aus Sport und Politik zu bewundern oder ganz einfach um Geschäfte zu machen.

Seit drei Jahren pilgert auch die Insurtech-Szene zunehmend auf diese traditionelle Veranstaltung. Der Insurtech-Themenpark, organisiert von zeb, bestand aus verschiedenen Pitches, Vorträgen und Paneldiskussionen, bei denen überwiegend die bewährten Player der Branche auftraten und über ihre aktuellen Entwicklungen berichteten. Klar festzuhalten bleibt dabei, dass die Musik zunehmend weniger bei digitalen Versicherern oder Brokern spielt, sondern eher bei den Enablern, also den digitalen Tech-Anbietern ohne Makler- oder Versicherer-Lizenz.

Was war neu oder auffällig?

finletter-Autor Moritz Finkelnburg schreibt über Insuretech
finletter-Autor Moritz Finkelnburg schreibt im Wechsel mit drei anderen Autoren die Insurtech-Kolumne auf finletter

Neodigital, digitaler Versicherer aus Saarbrücken, drängt mit Gründer Stephen Voss und viel Elan auf den Sach-Markt. Zahlreiche Kooperationen – unter anderem mit den Pools BCA, Netfonds und dem Grossmakler AON – haben für Aufsehen gesorgt und sprechen für hohe vertriebliche Dynamik. Ähnliches hört man von Friday, digitaler Versicherer der Baloise, der in 2019 den bisherigen Schwerpunkt KFZ deutlich in Richtung Sach erweitern will. Interessant auch Emil, der digitale Ableger der Gothaer, der – ähnlich wie Friday – mit dem KFZ-Geschäft einsteigt. Dies kann man als Tendenz sicherlich auch festhalten: Zahlreiche etablierte Versicherer starten inzwischen mit eigenen Digitaltöchtern und versuchen, sich auf diese Weise entscheidendes Know-How anzueignen und Erfahrungen zu sammeln. Die W+W-Tochter Adam Riese ist ein weiteres quirliges Beispiel hierfür.

Schaut man auf die Assekuradeure – international eher ein deutsches „Spezialmodell“ – fällt neben den bewährten BU-Anbietern CommunityLife und Getsurance im Moment vor allem Getsafe aus Heidelberg auf. Als Makler gestartet, wird dieses Insurtech inzwischen durch die MunichRe unterstützt und verfügt über deren Lizenz. Die erfahrenen Gründer Christian Wiens und Alex Grimm decken produktmäßig zwar den üblichen privaten Retailbereich ab, fahren aber über ihr Lebensphasen-Modell einen bewusst langfristig ausgerichteten Kundenbindungsansatz.

Und bei den Enablern? Aus meiner Sicht die spannendste Kategorie der Insurtechs, findet man hier doch die größten Innovationsansätze. In der Regel ein B2B-Business, daher entfaltet sich die zerstörerische Wirkung der Customer Acquisition Costs hier kaum oder zumindest deutlich verlangsamt.

Was war spannend? Auf meiner Watchlist ganz oben sicherlich Codecamp:N, digitaler Produktinkubator der Nürnberger. So konservativ das fränkische Unternehmen oft wirkt, verfügt es hier über ein interessantes Flagschiff. Martin Pluschke und Lena Stöppelmann präsentierten die Multibanking-meets-insurance-Ansätze, an denen das Team schon länger bastelt und die viel Entwicklungspotential haben.

Nect ist bereits seit einem Jahr auf der Überholspur und sollte nicht aus den Augen gelassen werden: Das Hamburger Self-ID-Start-up um Carlo Ulbrich und Benny Bennet gewinnt einen Award nach dem anderen und überzeugt durch seine multiplen Einsatzmöglichkeiten in Banking und Insurance.

Spannend auch Tia*: Der dänische Software-Geheimtipp (Marktführer bei Insurance-Software in Skandinavien) ist gerade erst auf der deutschen IT-Bildfläche aufgetaucht und beginnt, etablierten Playern wie Guidewire und Adcubum durch flexible und innovative Ansätze rund um die Core-Systeme massiv Konkurrenz zu machen. Unterstützt wird Tia dabei durch den erfahrene Würzburger Software-Implementierer („Connector“) enowa*. Definitely to watch.

Gleiches gilt für Evertrace: Französisch-russisches Insurtech aus Berlin-Treptow, das sich auf den Logistik-Bereich spezialisiert hat und in den letzten Monaten förmlich explodiert ist. Eine End-to-end-Plattform für Transporte auf dem See- oder Landweg mit voller Real-time-Nachverfolgung und Dokumentation sowie Zertifikaterstellung. Mein Geheimtipp für jeden Transportversicherer und vielleicht sogar Investor.

Last, but not least das Thema CRM: Salesforce zeigte als etablierter Player sein ganzes Repertoire und ist sicherlich ein Player, an dem man in diesem Bereich kaum vorbeikommt. Eine interessante Alternative (oder Ergänzung) scheint aber aber auch ForceManager zu sein. Der spanische CRM-Marktführer drängt von seiner Berliner Dependance aus relativ neu auf den deutschen Markt. Er bietet insbesondere mobile Vertriebsunterstützung für Verkäufer und Betreuer. Die Einsatzfähigkeit vom Smartphone bis zum Tablet scheint eine medienbruchfreie Unterstützung des Außendienstes zu ermöglichen und ist sogar mit anderen CRM-Systemen kombinierbar.

Mein Fazit: Keine Eruption, aber interessante Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Enabler sowie deutlich verstärkte digitale Aktivitäten der Top 5-20 Versicherer, die hier aus meiner Sicht spannende Potentiale haben. Weiter so!


* Bisher hat Moritz Finkelnburg ganz alleine die Insurtech-Fahne auf finletter.de hochgehalten. Künftig widmen wir dem Thema eine eigene Kolumne; folgende Autorinnen und Autoren schreiben abwechselnd:

  • Hans-Peter Holl, Vorstand von enowa, widmet sich den Zukunftsmärkten für Versicherungen, technologische Innovationenen und Innovationskultur,
  • Sabine Vanderlinden, Aufsichtsrätin bei Tia, wird Insurtech-Trends und Kooperationen zwischen Corporates und Start-ups beobachten und kümmert sich um Produkt-, Prozess- und Business-Modell-Innovationen,
  • Erika Krizsan, Gründerin und Leiterin der Insurance Factory in Wien, hat die Schwerpunkte Innovation für Versicherungen und Start-up Collaborations
  • und natürlich weiterhin Moritz Finkelnburg, akademischer Direktor der Goethe Business School Versicherungen, der sich für finletter digitale Entwicklungen an der Schnittstelle zwischen Old und New Economy im Versicherungssektor anschaut.

Autor

  • Moritz Finkelnburg

    Der gebürtige Berliner studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Berlin, Heidelberg und Barcelona, bevor er im Staatsrecht an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg promovierte. In den letzten Jahren war er in verschiedenen Management- und Vorstandspositionen mit den Schwerpunkten Vertrieb, Komposit und Digital tätig. Von 2016 bis 2019 baute Dr. Finkelnburg an der Frankfurter Goethe Business School als Akademischer Direktor den Bereich Versicherungen mit Schwerpunkt Digitalisierung auf. Seit 2019 ist er Mitglied des Vorstandes der BGV-Versicherung AG.