Banken haben erfreulicherweise erkannt, dass sie sich von einem reinen Produktanbieter zu einem Lösungsanbieter entwickeln müssen. Um dies schnell zu erreichen, werden Kooperationen mit Start-ups gesucht: Laut pwc-Fintech-Kooperationsradar bestehen mittlerweile mehr als 560 solcher Partnerschaften zwischen etablierten Banken und aufstrebenden Neugründungen.
Beide Seiten erhoffen sich davon, zu profitieren: die Start-ups vor allem durch Marktzugang, die Banken durch eine schnelle und passgenaue Erweiterung ihres Angebots und zufriedenere Kunden, welche die innovative Lösung euphorisch aufgreifen und sich dadurch enger an die Bank gebunden fühlen.
Erfolgsgarant I: Kundennutzen
Die erhoffte Euphorie der Kunden stellt sich jedoch nur ein, wenn das neue Produkt oder die Dienstleistung tatsächlich ein Problem löst. Wenn die Bankkunden sich fragen, wie sie ohne bisher überhaupt leben konnten!
Das ist jedoch eher selten der Fall. Denn getrieben von der aktuellen Goldgräberstimmung versuchen viele Start-ups, auch Kundenprobleme zu lösen, die allenfalls klein oder gar imaginär sind. Solche „Lösungen“ sind auf Dauer nutzlos und schaffen bei den Kunden keine Euphorie – da helfen auch kein schickes Design und hohe Benutzerfreundlichkeit.
Bei der Auswahl der Partner aus der Start-up-Szene sollten die Banken somit noch konsequenter die Bedürfnisse ihrer Zielkunden in den Mittelpunkt aller Überlegungen stellen. Dazu gilt es den Austausch mit den Kunden zu intensivieren und stets zu fragen: Was sind konkrete Probleme unserer Zielkunden (auch außerhalb des Bankings)? Wie werden diese Probleme aktuell von den Kunden gelöst? Könnten wir im Rahmen einer Kooperation eine Alternative anbietet, die Nutzen stiftet?
Erfolgsgarant II: Profitabilität
Die nutzenstiftende Lösung sollte dann auch ein funktionierendes Geschäftsmodell haben. Leider kommt dieses Kriterium oft viel zu kurz. Allzu leicht lassen sich Banken von verkündeten Finanzierungsrunden der Start-ups und den damit einhergehenden Jubelarien in der Presse beeindrucken. 20, 75, 180 und noch mehr Millionen Euro – bis hin zum prestigeträchtigen „Einhorn-Status“.
Die solchen Bewertungen zugrundeliegende Kenngröße ist jedoch einzig das (potentielle) Wachstum. Profitabilität hingegen spielt keine Rolle. Das ist für die finanzierenden Investoren kein Problem: Sie kaufen sich in Unternehmen ein und verkaufen diese Anteile in absehbarer Zeit gewinnbringend weiter.
Das ist aber nicht das Kerngeschäft der Banken. Deren Finanzvorstände dürften (und sollten) vor allem unternehmerisch geführte Start-ups bevorzugen, die in erster Linie nicht exponentiell, sondern nachhaltig wachsen und daher nicht über Jahre alimentiert werden müssen.
Erfolgsgarant III: Unternehmer
Unternehmerisch geführt werden die Start-ups jedoch nur, wenn sich die Gründer auch als „Unternehmer“ verstehen. Viele streben jedoch die Rolle des „Serien-Gründers“ an, der bei Investoren beliebte Geschäftsmodelle aufgreift, routiniert skaliert – und dann schnellstmöglich mit maximalem Gewinn aussteigt.
Um das zu erreichen, treten diese Start-ups forsch und beeindruckend selbstbewusst auf, entfachen eine grandiose, von der Realität oft losgelöste PR-Magie und kündigen in begeisternden Präsentationen überschwänglich Superlative an. The sky is the limit!
Diesem „Sirenengesang“ sollten die Banken widerstehen. Ziele, Werte und Zeithorizont der beiden Kooperationspartner bzw. der jeweils wichtigsten Entscheider passen schlicht nicht zusammen.
Fazit
Kooperationen zwischen Banken und Start-ups sind wichtig und richtig, wenn die Partnerwahl stimmt. Denn eine falsche Wahl bindet bei den Banken unnötig Ressourcen, kostet Nerven und Geld und verärgert die Kunden, die mit dem Angebot nichts anfangen können und sich mal wieder von ihrer Bank nicht verstanden fühlen.
Mit den aufgezeigten Kriterien sollten die richtigen Partner gefunden und die Kunden wie erhofft euphorisiert werden – und die Banken damit einen bedeutenden Schritt in Richtung eigene Zukunft tun.
Autor
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Friedrich-W. Kersting befasst sich seit 2012 mit dem Thema Fintech, zunächst theoretisch als Professor an einer privaten Hochschule, dann operativ bei einem Banken-Start-up und aktuell bei einer Schweizer Großbank. Zuvor war der an der Hochschule St. Gallen promovierte Kersting zehn Jahre im Private Banking in Deutschland und der Schweiz tätig.